Das Arbeitsgesetz – ein altes und «giftiges» Gesetz

Gemeinhin ist bekannt, dass sich im Obligationenrecht Normen zum Arbeitsrecht finden. Dass in der Hotellerie und Gastronomie ein Gesamtarbeitsvertrag eine wichtige Rolle spielt, ist ebenfalls bekannt. Einige Arbeitgebende und erst recht viele Mitarbeitende haben häufig keinen blassen Schimmer, dass es auch noch das Arbeitsgesetz gibt. Dabei stellt gerade dieses Gesetz sehr viele Regeln auf, die zu beachten wären.


Vor wenigen Jahren wurde ich für ein Referat für eine Sektion von Hotel­lerieSuisse mit der Begründung angefragt, dass das Arbeitsgesetz geändert hätte und man sich aufdatieren müsse. Hintergrund war offenbar, dass ein Betrieb kontrolliert wurde und dabei für Dinge gerügt wurde, welche man schon fast jahrzehntelang schon immer so gehandhabt hat. Also wurde der falsche Rückschluss gezogen, die Gesetze hätten sich geändert.

Arbeitsgesetzliche Kontrollen sind selten

Das Arbeitsgesetz ist eine Weiterentwicklung des ­Fabrikgesetz aus dem Jahre 1877. Damals hat der ­Bundesstaat erstmalig und zum Schutz der Arbeit­nehmerschaft in die Vertragsfreiheit eingegriffen und die Schutznormen immer wieder angepasst, bis 1966 das Arbeitsgesetz in Kraft trat. Seither hat es zahl­reiche Änderungen erfahren. Aber die schon vor mehr als 20 Jahren geltende Fassung weicht in Details noch vom heutigen Gesetz ab.


Das Arbeitsgesetz ist öffentlich-rechtlicher Natur und gilt für alle Anstellungsverhältnisse in allen Branchen. Das bedeutet, dass der Staat die Einhaltung der dort definierten Regeln von Amtes wegen kontrollieren muss, oder besser: müsste. Konjunktiv deshalb, weil der Vollzug und die Kontrolle des Arbeitsgesetzes den Kantonen obliegt und diese häufig personell gar nicht genügend dotiert sind, um systematisch über alle Branchen dessen Einhaltung der Gesetzesregeln zu kontrollieren. Deshalb sind sich viele Arbeitgeber nicht bewusst, wie «giftig» dieses Gesetz sein kann.


Zahlreiche Detailbestimmungen

Viele Arbeitgebende sind sich auch nicht bewusst, ­welcher Detaillierungsgrad das Arbeitsgesetz und seine inzwischen fünf Verordnungen hat. Hier einige Beispiele:


  • Arbeitsbeginn und Ende müssen innerhalb von 14 Stunden liegen, egal wie lange die Pausen dauerten (Art. 10 Abs. 3 ArG). Früher war die «Zimmerstunde» sehr verbreitet, inzwischen etwas weniger. Es ist aber schon seit Jahren so: Beginnt eine Mit­arbeitende um 7 Uhr morgens, so muss sie spätestens um 21 Uhr Feierabend haben, auch wenn sie von 13 bis 18 Uhr Zimmerstunde hatte.
  • An Tagen mit Nachtarbeit darf nicht mehr als 9 Stunden gearbeitet werden, die ganze Arbeitszeit muss zudem innerhalb von 10 Stunden liegen (Art. 17a Abs. 1 ArG). Im Regelfalle beginnt die Nacht­arbeit um 23 Uhr und endet um 6 Uhr, sie darf aber um eine Stunde vor- oder nachverschoben werden, wobei die Nacht immer 7 Stunden umfasst (Art. 17 ArG). Laut Auskunft der zuständigen Dienststelle des Kantons Luzern gilt diese Norm auch, wenn man bloss 20 Minuten in die Nacht hinein arbeitet. Konkret: Beginnt ein Mitarbeiter um 5:30 Uhr (Nachtarbeit bis 6 Uhr), so darf er an diesem Tag höchstens bis 17:30 Uhr arbeiten, wobei er gesamthaft eine Stunde Pause gemacht haben muss.
  • Ein Ruhetag umfasst mindestens 35 Stunden (Art. 21 Abs. 2 ArGV1) und wenn ein zweiter unmittelbar folgt, beträgt dieser 24 Stunden (Art. 19. Abs. 1 ArGV1). Die 35 Stunden lassen sich so erklären, dass auf die Nachtruhe von 11 Stunden ein ganzer Tag geruht werden muss. In der Praxis sieht man häufig, dass ganze Ruhetage in der Zeiterfassung einge­tragen sind, obwohl der Mitarbeiter bis Mitternacht am Vortag arbeitete und dann um 7 Uhr nach dem Ruhetag mit der Arbeit wieder begann. Faktisch konnte so nur ein halber Ruhetag bezogen werden. Ärgerlich ist, dass die wenigstens sich auf dem Markt befind­lichen Zeiterfassungssysteme diese (und andere) Vorgabe beachten und rechnerisch umsetzen.
  • Pausen von einer halben Stunde und mehr müssen nach ihrer Länge und Dauer aufgezeichnet werden (Art. 73 Abs. 1 Bst. e ArGV1). Das bedeutet, dass nicht einfach eine Stunde Mittagspause von der Arbeitszeit abgezogen werden darf, sondern dass der Beginn und das Ende der Mittagspause in der Zeiterfassung genau ersichtlich sein muss.

Diese wenigen Beispiele zeigen auf, welche praktische Relevanz die Vorschriften aus dem Arbeitsgesetz und den dazu gehörenden Verordnungen haben können. Ich gebe wohl kein Geheimnis Preis, wenn ich be­­haupte, dass sehr viele Betriebe Mühe habe, die zahlreichen Detailvorschriften einzuhalten. Allerdings kann man ihnen nur beschränkt einen Vorwurf machen: Viele Normen des Arbeitsgesetzes sind nicht selbsterklärend und die Rechtsprechung dazu spärlich oder inexistent. Das ändert aber nichts daran, dass es Gesetze und Verordnungen sind, die einzuhalten wären. Zum Glück sind die Kontrollen spärlich.

L-GAV Kontrolle prüft Einhaltung des Arbeits­gesetzes nicht

Allgemein bekannt ist, dass die Einhaltung des L-GAV’s durch die eigens dafür konstituierte Kontrollstelle geprüft wird. Deren Aufgabe ist es aber nicht, die Einhaltung des Arbeitsgesetzes und der dazu ge­­hörenden Verordnungen zu kontrollieren. Natürlich, ein Betrieb, der von der L-GAV-Kontrollstelle ohne Feststellung von Missständen überprüft wurde, ist grundsätzlich wohl korrekt unterwegs. Aber es ist kein Persilschein dafür, dass auch nach Arbeitsgesetz alles in Ordnung ist.


Vorsicht vor Strafverfahren

Gemäss Art. 59 ArG macht sich ein Arbeitgeber ­strafbar, wenn er u. a. den Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeit vorsätzlich zuwiderhandelt. Die potenzielle Strafbarkeit des Betriebes bedeutet, dass auf Anzeige oder Strafklage eines Mitarbeiters hin die zuständige Staatsanwaltschaft ein Straf­verfahren er­­öffnen muss. Das kann mit einer Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung aller Zeiter­fassungen ver­bunden sein. Gewiefte Anwälte wissen darum, weshalb sie bei einem laufenden Arbeits­gerichtsprozess, bspw. wegen Überstundenentschä­digungen, über eine pa­­rallel eingereichte Strafklage im Strafverfahren allenfalls fehlenden Beweise beschaffen. Trotzdem brauchen Betriebe, welche eine saubere Zeiterfassung und nicht wissentlich gröbere Fehler machen, keine Angst vor einem Strafverfahren haben. Denn es ist nur der Vorsatz strafbar.


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