Flache Hierarchie im «Kurhaus Lenzerheide» bringt weniger Druck und verteilte Verantwortung

Das «Kurhaus Lenzerheide» geht neue Wege: Die Hierarchie wurde abgeflacht. Titel gibt es keine mehr. Die Verantwortung wird unter den Mitarbeitenden aufgeteilt. Das «New Work»-Konzept sorgt für weniger Stress, effizientes Arbeiten und gute Laune im Team.

Einen Chef de Service sucht man im «Kurhaus Lenzerheide» vergebens. Ebenso wie einen Chef de Partie oder einen Maître d’Hôtel. Die Leitung des Kurhauses rund um Johannes Fredheim, Xenia Picco und Marco Parpan-Zollinger, hat die Titel entfernt und die Hierarchien abgeflacht. «Wir haben gemerkt, dass unser Hotelsystem nicht funktioniert, wenn alle Verantwortung immer nur auf einer Person lastet. Deshalb haben wir etwas geändert. Bei uns sind alle Serviceangestellten, alle Köche und alle Barkeeper untereinander gleichgestellt. Die Verantwortung wird auf alle Mitarbeitenden aufgeteilt», erklärt Johannes Fredheim, Mitglied des Managements, das Modell.

Durch das Verteilen der Verantwortung auf mehrere Schultern nimmt der Druck für die einzelnen Mitarbeitenden ab. «Unser ehemaliger Küchenchef sieht jetzt zehn Jahre jünger aus», sagt Fredheim. Dieses System erlaubt den Mitarbeitenden, ihre Stärken im Team einzubringen. «Jeder übernimmt die Aufgaben, die ihm besonders gut liegen.» Damit die täglich anfallenden Arbeiten erledigt werden, gibt es Checklisten.»Funktionieren gewisse Abläufe nicht, können wir das an den wöchentlichen Meetings besprechen und Lösungen suchen», sagt Fredheim.

Flache Hierarchien ohne Einfluss auf Löhne
Das Abflachen der Hierarchien ist keine Bestrafung für ausgebildetes Personal oder langjährige Mitarbeitende. Im Gegenteil. «Die Angestellten, die Führungsfunktionen hatten, verlernen ja nichts durch den fehlenden Titel. Sie haben weiterhin ihre Erfahrung und sind Ansprechpersonen für die anderen», erkl.ärt Fredheim. Gelerntes Personal hat weiterhin einen höheren Lohn als ungelerntes.

Die Mitarbeitenden können zwar nicht mehr im klassischen Sinne aufsteigen, dennoch ist das Entwicklungspotenzial im «Kurhaus Lenzerheide» gross. «Unsere Mitarbeitenden können sich intern weiterentwickeln und sich in Themengebiete vertiefen und sich weiterbilden. Ich habe vor über zehn Jahren mal als Spüler im Kurhaus angefangen», illustriert Fredheim das Potenzial im Haus.

«Rollen» bedeuten Verantwortung
Das «Kurhaus» erfand sogenannte «Rollen» für ihre insgesamt 43 Mitarbeitenden. «Die Rollen sind im weitesten Sinne Verantwortungsbereiche, die jemand komplett übernimmt. Das sind Tasks, die man nicht jeden Tag erledigen muss und die auch nichts mit dem eigentlichen Job zu tun haben müssen.» So kümmert sich Servicemitarbeiter Nick um das Erstellen der Playlists fürs ganze Hotel. Hotel-Managerin Xenia Picco kümmert sich um die Pflanzen und Barkeeper Anton arbeitet in der hoteleigenen Holzwerkstatt. «Die Mitarbeitenden können diese Aufgaben während ihrer Schicht erledigen, wenn nicht so viel los ist. Jede und jeder darf frei wählen, welche Rollen er oder sie möchte. Und wir respektieren auch, wenn das jemand nicht will., sagt Johannes Fredheim, der zusätzlich zu seinen Management-Funktionen die Rolle des Hausfotografen hat.

Die Art und Weise, wie das «Kurhaus» geführt wird, hat einen positiven Einfluss auf den Personalmangel. «Wir haben aufgehört, ausschliesslich nach geschultem Personal zu suchen, sondern stellen auch Menschen ohne Erfahrung in der Hotellerie oder im Gastgewerbe ein», sagt Fredheim. Auch Sprachkenntnisse werden nicht zwingend vorausgesetzt. .Wir schätzen Softskills gleich hoch wie Hardskills. Das zieht automatisch Menschen an, die unser Konzept und unser System cool finden. Und wir haben im Haus die Kompetenzen, den Ungelernten alles beizubringen.» Auf jede ausgeschriebene Stelle bekommt das «Kurhaus» nun wesentlich mehr Bewerbungen. «Aber das Beste ist eigentlich, dass wir gar nicht mehr so viele Stellen ausschreiben müssen. Weil unser Personal bleibt oder auf die neue Saison wiederkommt.»

 

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